Jenseits von Buzzwords: Was New Work wirklich bedeutet und wie es in der Praxis umgesetzt werden kann

| Lesedauer: 6 Minuten
Die Art und Weise, wie wir arbeiten hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Immer mehr Organisationen setzen aufgrund des Fachkräftemangels auf flexible Arbeitszeitmodelle und Remote Work, um ihre Attraktivität als Arbeitgebende zu steigern und somit Mitarbeitenden mehr Freiheit und Autonomie zu bieten.
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Inhaltsverzeichnis

Fragt man Unternehmer_innen und Mitarbeiter_innen, was sie unter „New Work“ verstehen, fallen diese beiden Themen meist als Erstes.

Doch bei New Work geht es um mehr als nur um das Arbeiten in Teilzeit oder von zu Hause aus. Der Begriff New Work beschreibt vielmehr eine neue Arbeits- und Denkweise, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen stiften soll in einer zunehmend komplexen, digitalisierten und globalisierten Welt. Es ist eine Arbeitsphiliosphie, die das Arbeiten in der Zukunft ganzheitlich neu definiert: Die Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeitenden in den Vordergrund zu stellen und sie zu ermutigen, ihre Talente und Fähigkeiten voll auszuschöpfen, ist dabei ein wichtiger Aspekt. Aus Sicht der Unternehmen geht es darüber hinaus auch um – teilweise existenzielle – wirtschaftliche Hintergründe. Aufgrund der Unplanbarkeit und Unvorhersehbarkeit disruptiver Transformationen und wachsenden globalen Marktanforderungen sind sie gefordert, ihre Arbeitsumgebung auf allen Ebenen an eine moderne Arbeitswelt schnellstmöglich anzupassen. Hierzu bedarf es einer Flexibilisierung von Prozessen und Strukturen, der Einführung technologischer Tools für mehr Effizienz und Kollaboration – und nicht zuletzt der Entwicklung einer neuen Haltung aller Beteiligten für eine bessere Kultur und Zusammenarbeit.

In diesem Blogartikel zeigen wir Wege, wie Unternehmen und Mitarbeitende gleichermaßen von dem Konzept New Work profitieren können und geben Einblick, welche Schritte notwendig sind, um dieses erfolgreich umzusetzen, angepasst an die individuellen Voraussetzungen.

Im Folgenden…

  • sehen wir uns an, woher der Begriff New Work stammt.
  • definieren New Work.
  • beschreiben wir New-Work-Konzepte und -Praktiken.
  • zeigen wir auf, welche Vorteile New Work für Unternehmen und Mitarbeiter*Innen hat.
  • untersuchen wir, was New Work für die Unternehmensführung bedeutet.
  • erklären wir, warum es ausgebildete Expert_Innen für New Work in einem Unternehmen braucht.

Warum New Work eigentlich gar nicht so neu ist, wie es scheint:

New Work ist eigentlich gar nicht wirklich „new“ – der Begriff geht auf den österreichisch-amerikanischen Sozialphilosophen und Anthropologen Frithjof Bergmann zurück, der bereits in den 1970er Jahren die Idee einer „Neuen Arbeit“ entwickelte, die sich von traditionellen Arbeitsmodellen unterschied. In den frühen 1980er-Jahren wandte Bergmann das Konzept bei General Motors in der amerikanischen Stadt Flint erstmalig an. Sein Grundgedanke dabei war, dass Arbeit nicht nur als Einkommenserwerb verstanden werden sollte, sondern auch als Quelle persönlicher Erfüllung und kreativer Selbstverwirklichung.

Bergmann betonte die Wichtigkeit von Freiheit, Selbstbestimmung und individueller Entfaltung in der Arbeitswelt und setzte sich für eine stärkere Orientierung an den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Mitarbeiter_Innen ein. Bergmann hat 2019 New Work wie folgt beschrieben: “New Work ist eine andere Art, Arbeit zu organisieren. Die Absicht ist, Arbeit so zu organisieren, dass sie nichts Gezwungenes ist, sondern man Arbeit tut, die man wirklich, wirklich will. […] Nicht Spaß, sondern wirklich, wirklich wollen – das ist ein großer Unterschied. Man kann mit allen möglichen Dingen Spaß haben, aber das ist nicht das, was ich meine.
Mir geht es um das wirkliche Streben.”

Wofür steht New Work heute?

Im Kern geht es bei New Work zwar immer noch um mehr Freiheit, Selbstbestimmung und Sinnhaftigkeit in der Arbeit sowie um eine stärkere Orientierung an den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Mitarbeiter_Innen. Jedoch hat sich das Spektrum dieses arbeitsphilosophischen Ansatzes im Laufe der Jahre deutlich erweitert, und er entwickelt sich spätestens seit der Pandemie rasant auf allen Ebenen weiter:

  1. Ebene Mensch: Hier stehen Entwicklungsfelder wie Mindset, Lebenslanges Lernen, Resilienz, Achtsamkeit, Umgang mit Konflikten und Selbstverantwortung im Vordergrund.
  2. Ebene Organisationen: Zu den wichtigsten Themen zählen die Förderung von Kollaboration und psychologischer Sicherheit, Anpassung an disruptive Transformationen und Marktanforderungen durch die Einführung von Agilität und neuen Organisationsstrukturen, Definition von neuen Rollen in der Führungsarbeit sowie Kompetenzaufbau im Konfliktmanagement.
  3. Ebene Gesellschaft / Natur: Auf der Metaebene geht es vor allem um den Sinn und die Qualität der Arbeit, Innovationen und Wachstum im Sinne des Gemeinwohl-Ökonomie, Kreislaufwirtschaft, soziale Verantwortung und Ganzheitlichkeit.

New Work beschreibt daher heute vermehrt einen moderneren und flexibleren Ansatz für die Arbeitswelt, betont den Einsatz neuer Technologien und die Notwendigkeit ständigen Lernens sowie der kontinuierlichen Weiterentwicklung für Organisationen und Arbeitnehmende – nicht zuletzt auch im Sinne von Gesellschaft und Natur. 

Das Ziel von New Work ist es, eine erfüllende und produktive Arbeitserfahrung für die Arbeitnehmenden zu schaffen und gleichzeitig Unternehmen in die Lage zu versetzen, in einem sich schnell verändernden Geschäftsumfeld flexibel und anpassungs- und überlebensfähig zu sein.

New Work ist die Kultur der Selbstbestimmung und Kreativität in einer sich wandelnden Arbeitswelt.“ – Petra Künkel

New-Work-Konzepte und Praktiken: Arbeitswelt neu gedacht

New Work umfasst eine Vielzahl von Konzepten, Methoden und Praktiken, die darauf abzielen, Arbeit und Organisationen neu zu gestalten:

  1. Der eingangs erwähnte und in vielen Unternehmen bereits umgesetzte Klassiker ist die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle und Arbeitsorte, z.B. durch Homeoffice-Modelle. Neben den organisatorischen Rahmenbedingungen sind dabei vor allem auch rechtliche Aspekte zu beachten. Hilfreich ist es, den Betriebsrat (sofern vorhanden) und die Mitarbeitenden in die Ausarbeitung und Gestaltung der Rahmenbedingungen einzubeziehen. Hier erhalten Sie beispielsweise einen guten Überblick über Vor- und Nachteile sowie über die wichtigsten rechtlichen Voraussetzungen, die zu beachten sind.
  2. In der neuen Arbeitswelt geht man davon aus, dass alle Menschen in Organisationen eine gestaltende Rolle einnehmen. Damit Mitarbeitende sich proaktiver einbringen, Prozesse und Entscheidungen mehr mitgestalten können, werden Hierarchien zunehmend abgebaut und durch dezentrale Entscheidungsprozesse und Strukturen ersetzt. Das soll zu einer gleichberechtigteren Zusammenarbeit und Teamarbeit anstatt zu geförderter Konkurrenz beitragen. Die Wahl dieses Ansatzes lässt sich begründen mit der  XY-Theorie von Mc Gregor, die auf der (von ihm jahrelang beobachteten und nachgewiesenen) Annahme beruht, dass die Unternehmenskultur einen entscheidenden Einfluss auf die Motivation ihrer Mitarbeitenden hat. Sie besagt, dass eine hohe intrinsische Mitarbeitermotivation das Ergebnis einer von Vertrauen und Mitgestaltung geprägten Unternehmenskultur ist. Mitarbeitende sollten somit nicht mehr als reine Arbeitsressourcen betrachtet, sondern als ganzheitliche Wesen mit eigenen Bedürfnissen, Talenten und Interessen wahrgenommen werden, die sich von sich aus gerne und eigenverantwortlich engagieren, sofern sie die Möglichkeit haben, etwas aus ihrer Sicht Sinnstiftendes beizutragen und Entscheidungen mitzugestalten.
  3. Das ist leicht gesagt – es bedarf jedoch vor allem einer offenen Kommunikations- und konstruktiver Feedbackkultur, die es ermöglicht, Erfahrungen zu machen, daraus zu lernen und die neu gewonnene Erkenntnis eigenverantwortlich anzuwenden auf weitere Aufgaben. Bewährt hat sich die Feedforward – Methode, die darauf abzielt, sich auf konkrete Veränderungsmöglichkeiten für die Zukunft zu konzentrieren anstatt lediglich die Leistungen der Vergangenheit zu bewerten. In einem Satz geht es darum, „Fehler“ hinkünftig als „Erfahrungen“ zu verstehen in einer lernenden Organisation. Es ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Raum für kreative Ideen und Innovationen entstehen und wachsen kann. In einer Umgebung, in der sich Mitarbeitende psychologisch sicher fühlen, werden sie Mut und Eigeninitiative aufbringen, um Neues zu versuchen und sich aktiv am Unternehmenserfolg zu beteiligen. Wertvolle Tipps, wie das gelingen kann, finden Sie hier.
  4. Dieser Wandel der Arbeitskultur führt uns von streng hierarchischen hin zu agilen, dezentralen Organisationen, was in Folge auch das Verständnis von Führung drastisch verändert: Führung bedeutet heutzutage vor allem, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen andere wirksam sein können. Dabei entwickelt sie sich immer mehr weg von der Rolle der Führungskraft hin zu Führungsarbeit, die unter Umständen auch von mehreren Personen getragen werden kann in unterschiedlichen Rollen. Holokratisch organisierte Unternehmen sind ein Beispiel dafür, wie Führungsarbeit neu gedacht und umgesetzt werden kann. Das geht nicht immer friktionsfrei und lässt sich in kleinen und mittelständischen Betrieben leichter umsetzen als in großen Konzernen.
  5. Damit diese neue Form der Zusammenarbeit nachhaltig gelingen kann, bedarf es neuer Kompetenzen und Fähigkeiten auf allen Ebenen, die sich auf die Zukunft der Arbeit ausrichten und Innovation ermöglichen. Dazu zählen z.B. digitale Kompetenzen, agiles Projektmanagement, Scrum und Design Thinking. War es früher noch so, dass Fortbildungen Bestandteil von Gehaltsvereinbarungen und Jahresgesprächen waren, so hat sich dieses Bild grundlegend verändert. Das Teilen von Wissen und die Förderung von Weiterentwicklung sowie Transparenz im Unternehmen sind heutzutage elementarer Bestandteil einer lernenden Organisation. Mit der Entwicklung des Internets ist Wissen kostenlos zugänglich für alle und Weiterbildungsangebote verlagern sich immer mehr in die digitale Welt, so dass sie einfach umgesetzt und auch asynchron genutzt werden können.
  6. Apropos Jahresgespräche – auch der Wert der Arbeit wird im Rahmen von New Work neu betrachtet. Nicht zuletzt der Fachkräftemangel führt dazu, dass Mitarbeitende nach mehr Wertschätzung und einer Aufwertung der Arbeit fordern. Dabei geht es nicht immer nur darum, dass dies in Form höherer Löhne und besserer Angebote für Beschäftigte geschieht und Gehaltsmodelle angepasst werden. Gerade jüngeren Generationen ist es vor allem wichtig, als Mensch gesehen zu werden und Wertschätzung zu erfahren. Dazu gehört ein achtsamer Umgang ebenso wie die Möglichkeit, Raum und Zeit zu bieten für kollegiale Beratung und Entwicklung. Und auch die ethische Haltung von potentiellen Arbeitgebern steht bei jüngeren Kandidat_Innen nicht selten auf dem Prüfstand und wird kritisch unter die Lupe genommen.

Es gibt noch viele weitere Praktiken und Ansätze im Rahmen von New Work, die je nach Unternehmen und Branche unterschiedlich umgesetzt werden können. Wichtig ist, dass Sie das für Ihr eigenes Vorhaben bzw. Unternehmen passende und adäquate Konzept entwickeln – denn es gibt keine allgemeingültige Schablone, die je nach Unternehmenstyp eingesetzt werden kann.

Als Orientierungsgrundlage können jedoch folgende Phasen für einen Transformationsprozess dienen:

  1. Erfassung aktueller Prozesse und Dokumente 
  2. Identifizierung des New Work Levels und des digitalen Reifegrades 
  3. Soll-/Ist-Abgleich und Ableitung des anzustrebenden New Work Levels
  4. Qualitative Befragung des Managements und der Mitarbeitenden
  5. Aufbereitung der gewonnenen Erkenntnisse und Ableitung von Zielen zur New Work Weiterentwicklung
  6. Priorisierung und Projektierung der Maßnahmen

Zum Einstieg in das Thema empfiehlt sich für eine erste Bedarfsanalyse und zur Erstellung eines Soll-Ist-Abgleichs, den Reifegrad Ihres Unternehmens zu bestimmen. Kostenlose Online Fragebögen, in denen die wichtigsten Fragestellungen zu New Work oder zu einem Digital Readiness Check enthalten sind, können hierbei unterstützen und als Grundlage dienen für erste interne strategische Befassungen.
Wichtiger Tipp: „Fangen Sie klein an“ – Versuchen Sie nicht, New Work Maßnahmen gleich im ganzen Unternehmen auszurollen, sondern wenden Sie die Regeln der agilen Welt auch hierbei an, in dem Sie die geplanten Maßnahmen zunächst einmal pilotieren in der kleinsten sinnvollen Wertschöpfungseinheit, so dass Sie daraus lernen und die Erkenntnisse für ein Rollout im gesamten Unternehmen anwenden können.

Möchten Sie mehr über die Treiber der digitalen Transformation erfahren und tiefer in die Entwicklungen der Arbeitswelt 4.0. einsteigen? Dann kontaktieren Sie uns gerne. Digethic ist Deutschlands erste Business School für Digitale Ethik, Nachhaltigkeit und Technologie. In unseren beruflichen und privaten Weiterbildungen ermöglichen wir Ihnen Einblicke in die New-Work-Philosophie, die Diskussion von Chancen und Risiken der heutigen Arbeitswelt sowie das Erlernen des erforderlichen 21st Century-Skillsets. Hier finden Sie unsere Weiterbildungsangebote.

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