Dr. Imme Witzel

Dr. Imme Witzel begleitet als Beraterin, Trainerin und Coach für werteorientierte Organisationsentwicklung Unternehmen auf einem Weg in eine verantwortliche und nachhaltige digitale Transformation Sie verfügt über 20 Jahre berufliche Praxis unter anderem in einer internationalen Strategieberatung, in Forschung und Wissenschaftsmanagement sowie in der Innovationsberatung an der Schnittstelle zur Politik. Corporate Responsibility, unternehmerische Nachhaltigkeit und die digitale Transformation stehen seit über 15 Jahren im Fokus ihrer Arbeit – in der Unternehmenspraxis sowie in der Wissenschaft.

INTERVIEW MIT DR. IMME WITZEL

  1. Wie bist du zu dem Bereich Corporate Digital Responsibility gekommen und was interessiert dich an diesem Konzept besonders?

Das Thema Corporate Digital Responsibility hat sich praktisch automatisch ergeben: Als Schnittstelle von Corporate (Social) Responsibililty und der digitalen Transformation. Mit beiden Themen beschäftige ich mich seit mehr als 15 Jahren. Dabei interessiert mich besonders die Frage, wie Mitarbeitende gut in die Veränderungsprozesse im Zusammenhang mit der Digitalisierung eingebunden werden können. Dazu gehören neben Fragen der Organisationsentwicklung auch Themen wie Kompetenzentwicklung für die digitale Arbeitswelt und lebensbegleitendes Lernen, aber auch die verantwortliche Einführung digitaler Tools und Aspekte des betrieblichen Gesundheitsmanagements.

  1. Digitalisierung und Nachhaltigkeit zählen aktuell zu zentralen Einflussfaktoren für Märkte und Organisationen. Welche Wechselwirkung beobachtest du zwischen diesen beiden Entwicklungen?

Ziel soll es sein, beides im Sinne der Corporate Digital Responsibility zusammen zu denken. Hier gibt es aus meiner Sicht noch viel Potenzial. Dazu braucht es auch eine neue Sicht auf das Werteversprechen, das traditionell noch fast ausschließlich aus wirtschaftlicher Perspektive definiert wird. In der digitalen Welt ergeben sich neue Freiheiten, aber auch mehr Verantwortung. Um eine positive Wechselwirkung zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu erzielen, sollten wir uns noch mehr darüber verständigen, was wir unter einem guten Leben in der digitalen Gesellschaft verstehen und wie wir dies erreichen können. Und an diesem Austausch müssen viele Stakeholder beteiligt sein. Das Ziel von CDR sollte eine freiwillige Selbstverpflichtung von Organisationen sein, die digitale Transformation im Einklang mit wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Aspekten voranzutreiben.

  1. Was heißt es für dich, eine Organisation werteorientiert weiterzuentwickeln?

Im ersten Schritt sollten Organisationen die Werte festlegen, die ihnen wichtig sind. Daraus leiten sie dann weitere Schritte ab. Im Zusammenhang mit CDR kann das bedeuten, dass sie die Digitalisierung dazu nutzen, die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden und ihrer Kunden zu fördern. Oder sie heben die Potentiale der künstlichen Intelligenz bewusst und unter Achtung der menschlichen Freiheitswerte. Sie stellen sicher, dass selbstauferlegte Regeln in Bezug auf den Umgang mit Daten und Informationssicherheit eingehalten werden. Ein weiteres Beispiel: Sie achten bei der Auswahl und dem Einsatz von digitalen Technologien darauf, dass diese negative Auswirkungen auf die Umwelt verringern und dazu beitragen, Umweltziele zu erreichen. Oder digitale Tools werden auf die Bedürfnisse aller Zielgruppen zugeschnitten. – Stichwort Barrierefreiheit. Das sind nur einige Beispiele – es gibt viele weitere, je nachdem, welchen Fokus sich Organisationen setzen und wo sie stehen.

  1. Worin siehst du die größte Herausforderung für nachhaltige Veränderungsprozesse und worin zentrale Chancen?

Als größte Herausforderung sehe ich das traditionelle Mindset in Unternehmen, das noch sehr stark auf kurzfristige Ergebnisse abzielt und fast nur anhand finanzieller Kennzahlen gemessen wird. Nachhaltigkeit bzw. CDR werden oft noch als „nice to have“ oder sogar als Kostenfaktor gesehen. Und: Durch zahlreiche Krisen wie Corona oder den Konflikt in der Ukraine und daraus resultierende Rohstoffknappheit geraten diese Themen in den Hintergrund.  Die zentrale Chance ist für mich ein Verständnis von Digitalisierung, das den Menschen mit seinen Bedürfnissen ins Zentrum stellt und die Möglichkeit, viele der aktuellen Herausforderungen mit Hilfe der Digitalisierung zu lösen.